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Glas vorne, Glas auf den Seiten, hinten ein Spiegel, oben eine schwarze Decke. Unsere Vitrine. Künstliches Licht, mehrere Etagen. Man sieht gleich gut hinein wie hinaus. Gesichter schweben vorüber, Augenpaare verharren, Finger zeigen, eine karierte Jacke umkreist das Glashaus. Wir haben keinen Tag und keine Nacht, wir haben entweder Licht oder kein Licht. Unter uns sind wir nur wenn «kein Licht» ist, dann können wir reden miteinander. Ich und meine Kollegen, der Bruder mit der schiefen Schnauze und der Alte mit der verletzten Pfote. Ohne Licht gehört sie uns, diese Vitrine, diese gläserne Zelle. Uns, den Zurückgelassenen, den Abgegebenen.

Nach Jahren auf dem Bett oder der Kommode oder dem Büchergestell landen wir auf dem Estrich, im Keller, in einer feuchten Garage; weggepackt und versorgt, eingewickelt in Plastik, verstaut in dunklen Schachteln ohne Luftlöcher; schliesslich ganz weggebracht. Wir sind noch gut aufgehoben hier, haben es trocken und warm und einigermassen staubfrei. Kollegen von uns geht es viel schlechter; die werden dahin gebracht, wo Menschen alles liegen lassen, was sie nicht mehr in ihren Höhlen wollen.

Wir haben alle ein Preisschild hier; das heisst Menschen zahlen Geld für uns, also sind wir wertvoll, zumindest denke ich das. Dann ist die karierte Jacke wieder da, die Türe der Vitrine geht auf, die Verkäuferin hebt mich vorsichtig heraus und sagt «47 Franken» (was immer das bedeuten mag); die Jacke sagt nichts und wir gehen alle zur Kasse – also die Frau trägt mich, soviel Stil muss sein, auch in einem Brockenhaus – und dann werde ich eine rosarote Papiertasche gesteckt, das ist zwar die Hausfarbe, aber trotzdem, rosarot für einen Steiff Bär?

Steiff-Teddybär Moses im Zug

Reise in einer rosaroten Papiertüte. Ich mache mich so klein wie möglich

Dann geht es hinaus in die Herbstnacht, die Tasche schaukelt, draussen ist es kühl und windig. Autsch! die Tüte mit mir prallt gegen etwas Hartes, das gibt sicher einen blauen Fleck in meinen Mohair-Pelz. «Entschuldigung» murmelt es von oben aus der Jacke. Dann höre ich Lärm, metallisch scheppernde Stimmen, Geräusche von Schuhsohlen und Absätzen auf dem Boden; es quietscht und zischt und rauscht, das muss der Bahnhof sein. Ein paar Schritte und Schlenker mehr und die Geräusche sind gedämpfter, wir müssen irgendwo hineingeraten sein, dann werde ich abgestellt. «Wir sind im Zug» sagt die Jacke. Ich, der Steiff Bär, reise in einer rosaroten Tüte. Wie peinlich ist das denn. Vorsichtshalber rutsche ich ganz nach unten und bin ganz still. Wenn mich jemand fragen würde, dann gehörte ich nicht zur karierten Jacke. Ein Bär bewahrt Haltung.